Ständige Infekte bei Krebspatienten müssen nicht sein!

Dr. Franke erklärt, wie bei Krebspatienten eine erhöhte Infektionsanfälligkeit untersucht und behandelt werden kann. 

Viele Krebspatienten bekommen häufig Infekte. Müssen Patienten die erhöhte Infektanfälligkeit hinnehmen?

Darauf kann man nur mit einem klaren Nein ant­worten. Durch große Fortschritte in den letzten Jahren leben Krebspatienten immer länger mit ihrer Erkrankung. Da sowohl die Erkrankungen selbst als auch die notwendigen, sehr wirkungsvollen Thera­pien das Immunsystem angreifen, müssen wir die Immunschwäche im Rahmen der Krebsbehandlung mitbehandeln. Denn die erhöhte Infektionsanfälligkeit kann ebenso lebensbedrohlich wie die Erkrankung selbst sein. In Studien wurde festgestellt, dass heute mehr Patienten an Infektionen als an ihrer Krebserkrankung sterben. Deswegen ist es wichtig, die Stärkung des Immunsystems ebenso wie die Krebstherapie in Angriff zu nehmen. Mit einer regelmäßigen Gabe von Immunglobulinen, die die fehlenden Antikörper zuführt, wird die Infektionsanfälligkeit deutlich gesenkt. 

 

Für welche Patienten sind Immunglobuline geeignet?

Gerade bei Patienten mit bösartigen hämatologischen Erkrankungen sind Immundefekte sehr häufig. Aber auch Patienten mit soliden Tumoren erleiden häufig Infekte, zum Beispiel durch eine immunsuppressive (Neben-)Wirkung der Chemotherapie/Chemoimmuntherapie. Bei Patienten, die von einem Immundefekt betroffen sein könnten, führen wir zunächst eine umfassende Diagnostik durch. Nach der Anamnese, bei der unter anderem Warnzeichen für einen Immundefekt abgefragt werden, führen wir eine immunologische Einschätzung durch. Hinzu kommt eine Messung von Antikörpern (Immunglobulinen) aus dem Blut der Patienten. Aus einer Vielzahl von Werten können wir die beste Therapieoption festlegen. Grundsätz­lich gilt: Ein zu niedriger IgG-Spiegel unter 7 g/l (Gramm pro Liter) ist ein wichtiger Indikator für die Notwendigkeit einer Behandlung. 

 
Prof. Dr. Franke
 

„Bei Patienten mit bösartigen hämatologischen Erkrankungen gehört eine Untersuchung und meist auch eine Therapie der Immunschwäche zwingend mit zur Behandlung", so Dr. Franke.

 
Prof. Dr. Franke
 

Was können die Patienten bei der Behandlung erwarten?

Bei meinen Patienten sehe ich meist einen erheb­lichen Gewinn an Lebensqualität, wenn sie mit Immunglobulinen behandelt werden. Man kann sich vorstellen, dass die Patienten oft sehr gebeutelt sind: durch die Krankheit selbst, die Chemotherapie/Chemoimmuntherapie oder andere Behandlungen und obendrein durch dauernde Infekte. Diese Kombination führt oft zu Depressionen und Angstgefühlen. Fast jeder kennt jemanden, der an einer Lungenentzündung oder anderen Komplikation verstorben ist; dies wirkt natürlich sehr bedrohlich. Zudem sind die Patienten oft extrem schlapp und müde. Zwar entfaltet sich die volle Wirkung von Immunglobulinen erst über neun bis zwölf Monate, aber schon bei der ersten Kontrolle berichten mir viele Patienten begeistert von ihren Fortschritten. Nach neun Monaten erkenne ich sie dann kaum wieder, so viel besser geht es ihnen. 

 

Wie und wie oft sollten Immunglobuline verabreicht werden?

Bei Patienten mit Immundefekt werden Immunglobuline in der Regel intravenös alle drei Wochen oder subkutan einmal die Woche verabreicht. Bei uns in der Immundefektambulanz bekommen weit über 90 Prozent der Patienten die subkutane Variante. Nach eingehender Schulung kann der Patient die Infusion dann zu Hause oder unterwegs mithilfe einer klei­nen Pumpe vornehmen. Die Infusion dauert in der Regel acht Stunden. 

Die Dosis richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Grundsätzlich haben wir das Ziel, die Infektneigung auf das Niveau eines immunkompetenten Gesun­den zu senken. Mit Immunglobulinen kann man Infekte zwar auch nie ganz vermeiden, aber die Häufigkeit und Schwere werden gemildert. 

Die Zielwerte des IgG-Werts liegen bei mindestens 7 g/l. Darüber hinaus sollten die Patienten be­schwerdefrei sein, mitunter muss bei weiterhin häufigen Infekten die Dosis angepasst werden. Auch andere Situationen wie akute Infekte oder ansteckende Krankheiten bei Kontaktpersonen versuchen wir, durch eine Anpassung der Immunglobulin-Gabe aufzufangen. Bei manchen Patienten, die eine Chemotherapie/Chemoimmuntherapie erhalten, ist aus vorhergehenden Behandlungszyklen eine Neigung zur schweren Neutropenie und damit zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit bekannt. Hier ist ebenfalls eine Dosisanpassung zu überdenken. 

Außerdem richtet sich die Gabe nach den Jahres­zeiten – im Sommer kann man sie etwas reduzieren. 

 

Sind Patienten im Winter besonders infektgefährdet?

Wir kennen es alle: Im Winter drohen die meisten Infekte, spätestens im Februar erwischt es dann viele Menschen. Was für eine immunkompetente Person lästig ist, kann für einen Patienten mit Im­mundefekt dramatisch ausgehen. Deswegen sollte dringend den ganzen Winter über eine Immunglo­bulin-Gabe erfolgen, und nicht nur einmal im Herbst. 

 
Prof. Dr. med. Mathias Rummel

Prof. Dr. med. Mathias Rummel

Leiter des Schwerpunkts Hämatologie, UKGM Universitätsklinikum Gießen

„Entstehung von Infekten bei Krebspatienten“

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