Stufendiagnostik  

Grundsätzlich besteht bei hämatologisch-onkologischen Patienten stets das Risiko, einen sekundären Immundefekt zu entwickeln, einesteils aufgrund der Erkrankung selbst und anderenteils durch die Tumortherapie. 
Rezidivierende oder persistierende Infekte mit manchmal schweren Verläufen sowie opportunistische Infektionen können den klinischen Verdacht auf einen sekundären Immundefekt begründen. In diesem Fall empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) eine Stufendiagnostik.[1]
 

Mögliche Anzeichen für sekundäre Immundefekte

Hinweise auf einen sekundären Immundefekt können beispielsweise ungewöhnlich verlaufende Infektionen sein, aber auch nicht-infektiöse, klinische Symptome unklarer Ätiologie.[18,19]
 

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Immundefizienz [18,19]

Infektion    
  • Ungewöhnliche Frequenz
  • Ungewöhnlicher Schweregrad
  • Ungewöhnliche Dauer
  • Ungewöhnliche Komplikationen
  • Ungewöhnliche Erreger
Nicht-infektiöse Hinweise
  • Schlechte Wundheilung
  • Bronchiektasen
  • Proteinverlust: chronischer Durchfall oder Malabsorption,
  • Autoimmunität, insbesondere bei mehr als einer (z. B. Hypothyreose und Alopezie oder Vitiligo)
  • Hämatologische Erkrankungen (hämolytische Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie)

Klinische Leitmotive der Immundefizienz

Eine pathologische Infektanfälligkeit zeichnet sich durch folgende Punkte aus:[1]

  • Häufige Infektionen
  • Rezidivierende Infektionen mit demselben Erreger
  • Schwer verlaufende Infektionen
  • Ungewöhnliche Erreger
  • Infektionen mit protrahiertem Verlauf oder atypischen Lokalisationen
  • Opportunistische Infektionen

Wie häufig“ bei sekundären Immundefekten genau definiert ist, ist durch aussagekräftige klinische Studien bislang nicht geklärt. Die Angabe von Schwellenwerten, über denen eine pathologische Infektionshäufigkeit vorliegt, ist problematisch, siehe AWMF Leitlinie „Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts“.[1

Immundysregulationen können durch Granulome, Autoimmunerkrankungen, rezidivierende Fieberschübe / chronische Entzündung, Ekzemneigung, Lymphoproliferation und chronische Darmentzündung symptomatisch werden.[1]

 

Stufendiagnostik bei Verdacht auf sekundären Immundefekt

Besteht der klinische Verdacht auf einen sekundären Immundefekt, sollte eine geeignete immunologische Untersuchung durchgeführt werden. Ein sekundärer Immundefekt kann sich als Hypogammaglobulinämie oder – seltener – als Subklassenmangel bei normalem Gesamt-IgG manifestieren. Patienten mit sekundärem Antikörpermangel können asymptomatisch erscheinen, sind aber dennoch dem Risiko schwerer und potenziell lebensbedrohlicher Infektionen ausgesetzt.[18]

Die Basisdiagnostik umfasst zunächst das Differentialblutbild zur Feststellung einer Neutro- oder Lymphozytopenie, weiterhin die Untersuchung der Ig-Hauptklassen IgG, IgM und IgA, um eine mögliche Hypogammaglobulinämie zu identifizieren. In der erweiterten Diagnostik erfolgt bei normwertigem IgG die Bestimmung der IgG-Subklassen. Bei milder Hypogammagobulinämie (4-7 g/l) sollte eine Überprüfung der spezifischen Antikörperproduktion mittels diagnostischer Impfung mit dem konjugierten Pneumokokken-Impfstoff Prevenar 13 durchgeführt werden (PSAF)*. Auch eine Untersuchung auf Mangel an CD4+-T Zellen ist möglich.[1]

Bezüglich der Impfantwort ist zu beachten, dass die Titer vor und nach Impfung im selben Labor und mit gleichem Assay quantifiziert werden. Der Antikörpertiter sollte erst 4-8 Wochen nach der Impfung bestimmt werden. Nach den EMA-Empfehlungen wird die Verdopplung des spezifischen Pneumokokken-IgG durch die Impfung als Marker einer ausreichenden Impfantwort definiert. Sofern protektive Titer für die Schutzimpfung definiert sind, sollten Patienten nach der Impfung einen entsprechenden Anstieg in den protektiven Bereich haben.

Erläuterungen: *PSAF (Proven Specific Antibody Failure) = Ausbleiben eines mindestens 2-fachen Anstiegs des IgG-Antikörpertiters gegen Pneumokokken (Polysaccharid- und Polypeptid-Antigen-Impfstoffe)

Stufendiagnostik bei klinischem Verdacht auf sekundäre Immundefekte [1]

Basisdiagnostik Untersuchung Fragestellung
  Differenzialblutbild Neutropenie / Lymphozytopenie
Immunglobulinhauptklassen IgG, IgM, IgA Hypogammaglobulinämie
Erweiterte Diagnostik Untersuchung Fragestellung
bei normwertigem IgG Bestimmung der IgG-Subklassen Hypogammaglobulinämie
bei milder Hypogammaglobulinämie (4-7 g/L) Diagnostische Impfung mit dem konjugierten Impfstoff Prevenar-13 Spezifische Antikörperproduktion
  CD4-positive T-Zellen  

Regelmäßige Überwachung von Patienten

Störungen der physiologischen Immunantwort, die unter der Therapie von Biologika und anderen immunsuppressiven Medikamenten auftreten, sind meist transienter Natur, können jedoch auch in einen permanenten Zustand übergehen.[18] Sinnvoll ist eine kontinuierliche Überwachung der Patienten, die bisher noch nicht durch Störungen der physiologischen Immunantwort aufgefallen sind, jedoch ein entsprechendes Risiko dafür mitbringen. Daher sollte die Betreuung von Risikopatienten eine regelmäßige Messung des IgG-Serumspiegels beinhalten.[2]
 
Hochrisikopatienten, beispielsweise Patienten mit hämatologischen Malignomen, können von einer jährlichen Bestimmung der Immunglobuline profitieren, um die Entwicklung eines sekundären Immundefektes rechtzeitig zu erkennen.[2]
 

Infekte unter dem Radar des Onkologen?

Diagnose und Therapie von Infekten fallen zunächst in die Zuständigkeit des Hausarztes. Um einen guten Überblick über das Infektgeschehen zu bekommen, ist es daher für den Onkologen sinnvoll, Patienten gezielt nach zurückliegenden Infektionen zu fragen.
 

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Therapieoptionen

Es gibt verschiedene Optionen zur Therapie von sekundären Immundefekten.

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