Pathophysiologie

Sekundäre Immundefekte sind eine Gruppe von Erkrankungen, die sich abhängig von den auslösenden Faktoren in unterschiedlichen Immundefizienzen äußern können. 
Sie können sowohl die zellvermittelte als auch die humorale Immunität (Antikörperproduktion) beeinträchtigen.[2,5]

Die Entwicklung sekundärer Immundefekte ist komplex und kann aus einer Reihe krankheitsbedingter Faktoren sowie Nebeneffekten von Therapien resultieren. 

  • SID können sich in verschiedenen Bereichen der Immunantwort äußern, einschließlich Anomalien in B Zellen, T Zellen oder antigen-präsentierenden Zellen (ACPs).[2] 
  • Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen, wie Chronischer Lymphatischer Leukämie (CLL), Multiplem Myelom (MM) und Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), kann es krankheitsbedingt zu einer Immunschwäche kommen.[3,12] 
  • Verschiedene Medikamente zur Behandlung von hämatologischen und nicht-hämatologischen Erkrankungen werden mit Hypogammaglobulinämie und SID in Verbindung gebracht.[2] 

Ein häufiges Merkmal der humoralen Immunschwäche ist die Manifestation einer Hypogammaglobulinämie bei Patienten mit sekundären Immundefekten.[13,14] Je nach Art des Immundefekts bzw. der Grunderkrankung kann auch lediglich ein zu niedriger Serum-Immunglobulin-G-Spiegel (IgG) vorliegen, während die anderen Gammaglobuline (IgA, IgD, IgE, IgM) ausreichend vorhanden sein können.[14] 

 

Infektbedingte Mortalität bei hämatologischen Malignomen

Eine Hypogammaglobulinämie tritt bei hämatologischen Malignomen häufig auf; meist korreliert sie mit erhöhter Infektanfälligkeit und trägt dadurch wesentlich zur Morbidität und Mortalität bei.[2] Die Auslöser und Mechanismen des Immunglobulinmangels und der daraus resultierenden Infektanfälligkeit bei hämatologisch-onkologischen Patienten sind multifaktoriell. Dabei sind krankheitsbedingte sekundäre Immundefekte nicht immer von therapiebedingten sekundären Immundefekten abzugrenzen.[1] Hämatologisch-onkologische Patienten haben heute infolge verbesserter Therapien eine höhere Überlebensrate als in den vergangenen Dekaden. Nichtsdestotrotz ist die Mortalität durch Infektionen nach wie vor hoch.[15]
 
Die infektbedingte Mortalität bei hämatologisch-onkologischen Patienten ist trotz vieler Innovationen im Bereich der onkologischen Therapien in den vergangenen Jahren nach wie vor hoch.[15]
 
Sie können sowohl die zellvermittelte als auch die humorale Immunität (Antikörperproduktion) beeinträchtigen.[2,5]

Die Entwicklung sekundärer Immundefekte ist komplex und kann aus einer Reihe krankheitsbedingter Faktoren sowie Nebeneffekten von Therapien resultieren. 

  • SID können sich in verschiedenen Bereichen der Immunantwort äußern, einschließlich Anomalien in B-Zellen, T-Zellen oder antigen-präsentierenden Zellen (ACPs).[2] 
  • Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen, wie Chronischer Lymphatischer Leukämie (CLL), Multiplem Myelom (MM) und Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), kann es krankheitsbedingt zu einer Immunschwäche kommen.[3,12] 
  • Verschiedene Medikamente zur Behandlung von hämatologischen und nicht-hämatologischen Erkrankungen werden mit Hypogammaglobulinämie und SID in Verbindung gebracht.[2] 
 

Häufig eingesetzte immunmodulierende Therapien und ihre Mechanismen [1]

Therapie Mechanismus Empfehlungen
Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) Das Oberflächen-Antigen CD20 wird auf B-Lymphozyten exprimiert und bei Differenzierung zu Plasmazellen herunterreguliert. Die B-Zelldepletion durch Anti-CD20-Antikörper ist bei der Mehrheit der Patienten vorübergehend. Initiales Screening auf chronische HBV-Infektion: wenn HBsAg positiv, antivirale Therapie; wenn HBsAg negativ und anti-HBc positiv, Monitoring der HBV-Viruslast. Monitoring der Immunglobuline und des Differentialblutbilds, ggf. diagnostische Impfung und IgG-Substitution gemäß EMA.
BCL-2-Inhibitoren (Venetoclax) BCL-2-Inhibitoren hemmen selektiv das in CLL-Zellen überexprimierte anti-apoptotische Protein BCL-2 und fördern so die Apoptose der malignen Zellen. Enges Monitoring für Infektionen unter Therapie empfohlen, auf mögliche Immundefekte durch vorige Therapien achten.
BCR-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitor (Imatinib, Nilotinib, Dasatinib, Bosutinib, Ponatinib) BCR-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren blockieren die Aktivierung des BCR-ABL-Proteins bei der Chronischen Myeloischen Leukämie, hemmen jedoch auch die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen, dendritischen oder regulatorischen Zellen. Screening auf chronische HBV-Infektion bei klinischem Verdacht.
Blinatumomab Blinatumomab bindet simultan CD3+ T-Zellen und CD19+ B-Zellen, wodurch die T-Zellen aktiviert und die B-Zellen lysiert werden. Monitoring der Immunglobuline und Substitution gemäß EMA. Klinisches Monitoring für Katheterinfektionen. Initiales Screening auf HBV-, HCV- und HIV-Infektion.
BTK-Tyrosinkinaseinhibitor (Ibrutinib) Ibrutinib hemmt die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) und damit den BTK-vermittelten B-Zellrezeptor-Signalweg, sodass es zu einer verminderten Proliferation von malignen B-Zellen kommt. Initiales Screening auf chronische HBV-Infektion: wenn HBsAg positiv, antivirale Therapie; wenn HBsAg negativ und anti-HBc positiv, Monitoring der HBV-Viruslast. Bei CD4-T-Zellmangel < 200/µl, hochdosierter Steroidtherapie und intensiver Vortherapie, Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-(PjP)-Prophylaxe empfohlen. Bei Neutropenie oder längerfristiger paralleler Kortikosteroid-Gabe, Erwägung von Aspergillus-Prophylaxe.
CAR-T-Zellen (Axicabtagen-Ciloleucel, Tisagenlecleucel) CAR-T-Zellen sind dem Patienten entnommene und gentechnologisch veränderte T-Zellen, die einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren, der sich gegen CD19 richtet (auf malignen und physiologischen B-Zellen). Monitoring der Immunglobuline, ggf. Substitution gemäß EMA. Initiales Screening auf HBV-, HCV- und HIV-Infektion
Immuncheckpoint-Inhibitoren (Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab, Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab) Immuncheckpoint-inhibierende Antikörper blockieren die Signalwege von CTLA4, PD-1 und PD-L1 und verhindern die Inhibition der T-Zellaktivierung, so dass tumor-reaktive T-Zellen eine effektive Anti-Tumorantwort aufbauen können. Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe erwägen, wenn sekundäre Immunsuppression für > 4 Wochen.
JAK-STAT-Inhibitoren (Ruxolitinib) JAK-STAT-Inhibitoren hemmen die Tyrosinkinasen, auch „Janus-Kinasen“ genannt, JAK1 und JAK2 und unterbinden damit den JAK2/STAT-Signalweg, wodurch die T-Zellaktivierung und T-Zellfunktion herabgesetzt wird. Bei CD4-T-Zellmangel < 200/µl oder hochdosierter Kortikosteroidtherapie, Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe erwägen.
mTOR-Inhibitoren mTOR-Inhibitoren hemmen mTOR-Proteine, die als Serin/ Threonin-Proteinkinasen zelluläre Prozesse regulieren, und schränken damit das Tumorwachstum ein. Außerdem hemmen sie die Differenzierung und Aktivierung verschiedener Immunzellen. Erhöhtes Risiko für Infektionen, daher regelmäßiges klinisches Monitoring. Bei CD4-T-Zellmangel < 200/µl oder kombinierter hochdosierter Steroidtherapie, Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe erwägen. Bei Patienten mit Husten und Dyspnoe differentialdiagnostisch autoimmunvermittelte interstitielle Lungenreaktion erwägen.
Phosphatidylinositol-3-Kinase-δ-Inhibitoren (Idelalisib) Phosphatidylinositol-3-Kinase-δ-(PI3Kδ)-Inhibitoren hemmen die PI3Kδ, welche die Funktion von B-Zellen reguliert und in malignen Zellen hyperaktiv ist. Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe während und bis 2‑6 Monate nach Therapie. Bestimmung der CMV-Serologie vor Therapie und CMV-DNA-Monitoring mind. alle 4 Wochen während Therapie; bei ansteigender Viruslast oder klinisch manifester CMV-Infektion antivirale Therapie und Pausierung von Idelalisib.
Allogene Blutstammzell-transplantation Bis zur vollständigen Regeneration des Immunsystems dauert es 1‑3 Jahre, je nachdem, wie lange die Immunsuppression zur GvHD-(Graft-versus-host disease-)Behandlung erfolgen muss. Bei älteren Patienten kann ein langfristiger T-Zell-Defekt persistieren. Abhängig vom jeweiligen Risikoprofil, Prophylaxe gegen HBV, HSV, VZV, CMV, Pneumokokken, Pneumocystis jiroveci und andere Pilze (ggf. inkl. Schimmelpilze), Toxoplasmose.

 

Mechanismen des Immunglobulinmangels

Zusätzlich zum Einsatz von Chemotherapeutika, Langzeit-Steroiden oder Radiotherapie werden inzwischen viele B-Zell-depletierende Wirkstoffe zur Behandlung von malignen hämatologischen Erkrankungen verwendet. Medikamente, die auf B-Lymphozyten abzielen, sowie Langzeit-Steroidtherapien können das Risiko für iatrogen induzierte sekundäre Immundefekte erhöhen.[2] Insbesondere bei Patienten mit CLL und MM führen eine krankheitsbedingte mangelhafte Funktion der CD5-negativen B-Zellen und die Unterdrückung der CD95+-Plasmazellen im Knochenmark zu B-Zell-Defekten. Aber auch andere regulatorische Anomalien wie eine verringerte Aktivität von T-Helferzellen oder erhöhte Aktivität von T-Suppressorzellen können zu einem Mangel an Immunglobulinen beitragen.[2] Weiterhin sind bei diesen Patienten sowohl krankheits- als auch therapieassoziierte Nierenfunktionsstörungen und Neutropenien zu beobachten, die das Risiko für einen sekundären Immundefekt erhöhen.[2] Immunmodulierende Therapien, die in den Zellstoffwechsel von Tumorzellen eingreifen, können als unerwünschte Arzneimittelwirkung auch die physiologischen Zellprozesse verschiedener Lymphozyten hemmen und dadurch die krankheitsbedingte Hypogammaglobulinämie verstärken.[1]
 

Hinweise auf SID

Diese Anzeichen deuten auf einen sekundären Immundefekt hin.

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Diagnostik

Möglichkeiten und Methoden zur Diagnose von sekundären Immundefekten.

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Therapieoptionen

Es gibt verschiedene Optionen zur Therapie von sekundären Immundefekten.

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